Seminarhotel Esser, Wegberg-Kipshoven

Baujahr

1995

Kleinod auf dem Lande

Bauernhöfe und Tagungsräume, Landarbeit und Börsendaten – was auf den ersten Blick nicht zusammenpasst, findet seine harmonische ergänzung in dem Seminarhotel Esser in Kipshoven, Stadtteil von Wegberg bei Mönchengladbach. Ein an der Hauptstraße sensibel eingefügter Klinkerbau wertet die Ortsmitte auf und überzeugt mit Architektur und Angebot die zur Fortbildung oder Erholung angereisten Gäste. Die Klinker selbst schaffen die gestalterisch Verbindung zwischen dem Neubau und der vorhandenen Umgebung. Ein heimisches Material sind sie allemal, stammen die Terca-Klinker doch aus dem Ziegelwerk von Wienerberger in Wegberg.

 Bauherr des Seminarhotels Kurt Esser, dessen Weg als rühriger Hotelbesitzer 1969 mit der Übernahme der elterlichen Gastwirtschaft im Stammhaus auf der gegenüberliegenden Straßenseite begann. Hier entstand zunächst ein Gesellschaftsraum und 1976 das erste kleine Hotel. 1984 errichtete Esser inene modernen Hotelanbau mit weiteren Einzel- und Doppelzimmern. Mit der anspruchsvollen Planung und Bauabwicklung bei uneingeschränktem Hotel- und Gaststättenbetrieb wurde Architekt BDA Helmut Reuschenbach aus Troisdorf beauftragt. Gemeinsam wählten sie für den Anbau, der nur einen Steinwurf von der über 500 Jahre alten Backsteinkapelle des Dorfes entfernt steht, einen rotbunten Klinker aus dem umfangreichen Terca-Sortiment von Wienerberger aus. Die große Nachfrage von Geschäftsleuten, Vereinen und privaten Gesellschaften veranlasste die Essers, 1992 ihren Hotelkomplex abermals um rund 27 Betten und mehrere Tagungsräume zu erweitern. Das neue Seminarhotel sollte gegenüber dem Stammhaus entstehen, dort, wo sich der elterliche Bauernhof von Helene Esser befand. Der Schritt über die Straße bedeutete eine bisher im Ort nicht dagewesene Heruasforderung an Architektur und Städtebau.

Architektonisches Konzept

Architekt Reuschenbach wurde wieder beauftragt und konnte unter Beweis stellen, dass er mit den Gegebenheiten bestens vertraut war. Er wählte einen L-förmigen Grundriss, der der Lage an der Einmündung zur Hauptstraße Rechnung trägt. Das Gelenk bildet ein dreigeschossiger, quadratischer Turm mit Zeltdach, der in direktem Bezug zum Stammhaus steht. Daran schließen sich zu beiden Seiten niedriegere, weitgehend geschlossen gehaltene Gebäudeflügel an, die den Verlauf der früheren Stallungen aufnehmen. Im wahrsten Sinne hervorragend ist der Eingang, der als kleiner Glasvorbau im Kontrast zu den homogenen Klinkervolumina steht. Eine massive Stützenreihe führt auf den Eingang zu, wird in die Glaswand integriert und läuft weiter auf die Klinkerwand des Seitenflügels. Dort wirken die Stützen vor gleich großen Fenstern in der Wand, als ob sie aus der massiven Mauer herausgestanzt seien. Der Architekt erläutert: „Das Herausschwenken der Stützenreihe ist für den Ankommenden in doppelter Weise erlebbar. Zunächst wird er, wenn er in den Ort hineinkommt, die parallel zur Straße erstellte Stützenreihe als strigente Wegführung zur Ortsmitte hin, nämlich zum Stammhaus erfahren.“ Die Bauabsicht mit unterschiedlichen Gebäudekörpern und -verschränkungen hat der Bürgermeister in seiner Eröffnungsrede auf den Punkt gebracht: Er habe „…den Ort wiedererkannt, ohne die Architektur der Stallungen zu sehen.“

Überzeugung bis ins Detail

Durch den Eingang betritt der Gast ein lichtdurchflutetes Foyer, das im Erschließungsbereich das Thema Klinker fortführt. Ein wunderschön angelegter, bis auf die Kellersohle abgetreppter Garten auf der rückwärtigen Gebäudeseite wird durch große Fensterflächen vor dem Tagungsbereich und den zum garten ausgerichteten Zimmern erlebbar. „Die Vorbereiche zu den Tagungsräumen und die Zimmer sind auf Lerngruppen von zwei bis drei Personen ausgerichtet. Daher sind überall kleine Besprechungszonen vorgesehen. Besonderen Anklang finden die Maisionetten-Zimmer, in denen bis zu drei Personen ungestört arbeiten und schlafen können“, weiß der Hausherr zu berichten. Auch Innovationen in dem von privaten Gästen genutzten Bereich haben es ihm angetan, so bietet beispielsweise der Turm zwei liebevoll eingerichtete Hochzeitszimmer.

Von der Gestaltung des Gebäudes sind Bauherr und Architekt nach wie vor überzeugt. „Entscheiden sich z.B. Krefelder Unternehmer für den Ort Kipshoven, erwarten sie eine optimale Arbeitsatmosphäre in ländlichem Ambiente. Genau das bietet unser Haus. Der Klinker „Altrauh“ im NF-Format, mit hell abgesetzter Fuge und vor allem dem lebendigen Farbenspiel des Kohlebrands, ist ortstypisch und doch individuell“, so Kurt Esser, und Reuschenbach ergänzt: „Und Alterungsspuren sind nirgends zu erkennen, weder beim Seminarhotel, noch bei den älteren Klinkeranbauten“. Inzwischen ist das Stammhaus noch einmal vergrößert worden, der gleiche Klinker schmückt die Eingangsfront. Zum dritten Mal wählten die Bauherren für die Fassadengestaltung den attraktiven Terca-Klinker von Wienerberger aus dem heimischen Ziegelwerk in Wegberg. Gegenüber dem Seminarhotel gibt es noch ein Baugrundstück. Der nimmermüde Hotelier kann sich „…etwas in Richtung Fitness, Wellness vorstellen“. Welchen Baustoff er dafür favorisiert, kann man sich denken.

 

aus Fassaden-Architektur und-Gestaltung, Ausgabe 6 November/Dezember 2001, S.15-17